14. Prozesstag

August 30, 2007

14. Prozesstag – 18. Juni 2007 // 9.00 – 12.30

„Oury Jalloh hätte sich auch nicht gewünscht, sich in so einer Situation zu befinden“

Widersprüche zur Aussage der Polizistin Beate H. // Verwaltungsbeamtin im Zeugenstand vereidigt // Prozess auf 37 Verhandlungstage ausgeweitet

Der 14. Prozesstag beginnt mit einer Erklärung der Nebenklage. Diese bezieht sich auf eine Beanstandung Rechtsanwalts Atilla Techtler. Der Verteidiger des Hauptangeklagten Andreas S. hatte am 06. Juni 2007 beim Gericht beantragt, den Zeugen Bau. bei der Hauptverhandlung nicht zu zulassen. Bau. soll im Zusammenhang mit dem Todesfall Mario Bichtemann (mehr dazu hier…) gehört werden. Bichtemann war im November 2002 im Gewahrsamsbereich des Dessauer Polizeireviers verstorben. Dienst hatten damals, wie im Fall Oury Jalloh, der Dienstgruppenleiter Andreas S. und der Bereitschaftsarzt Andreas B. Rechtsanwalt Isensee führte aus Sicht der Nebenklage aus, dass gegen die Vernehmung des Zeugen Bau. keine rechtlichen bedenken bestehen: „Dass von der Verteidigung angeführte Argument, dass für den Fall von Zeugenvernehmungen zum Fall Bichtemann die Regelungen einer Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO zu beachten seien, geht fehl“. Das damals gegen den heutigen Angeklagten Andreas S. eingeleitete Ermittlungsverfahren wäre aufgrund objektiver Tatsachen eingestellt wurden. Die Einstellung wäre u.a. damit begründet worden, dass etwaige Pflichtverletzungen des Dienstgruppenleiters „nicht notwendig ursächlich für den Tod (des Herrn Bichtemann; Anm. der Red.) gewesen war“. Schließlich, so die Argumentation der Nebenklage, sie deshalb eine Kausalität nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu verneinen. Aufgrund der selbst für Mediziner zunächst nur schwer erkennbaren Lebensgefahr (mehr dazu hier…), hätte der Tod des Herrn Bichtemann womöglich auch bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Andreas S. eintreten können. Gerade weil aber im Fall Bichtemann, wie jetzt im Oury Jalloh-Verfahren, eine mögliche Pflichtverletzung des Andreas S. zu untersuchen wäre, sei die Anhörung des Zeugen von Bedeutung. „Deshalb ist der innere Zusammenhang gegeben“, so Isensee. Schließlich könne die Aufklärung von etwaigen Pflichtverletzungen im Falle einer Verurteilung Einfluss auf das zu erwartende Strafmaß für den Angeklagten Andreas S. haben. RA Teuchtler beleibt bei seinem Antrag: „Ich sehe den inneren Zusammenhang nicht“. Richter Steinhoff kündigt an, in einer der nächsten Termine über die Zulassung des Zeugen Bau. zu entscheiden.

 

Die 30-jährige Verwaltungsbeamte Melanie Ti. betritt dann den Zeugenstand. Sie sei u. a. für die Haushaltführung des Zentralen Einsatzdienstes, Sichtzulage und Sicherstellung KFZ zuständig. Seit 2004 wäre sie im Polizeirevier tätig, gibt sie dem Gästen im Zuschauerraum zur Kenntnis. Ihr Dienstzimmer wäre der Raum 227. Dieses Zimmer wäre ein Durchgangszimmer. Im Januar 2005 hätte sie sich zudem das Zimmer mit ihrer Kollegin Brigitte S. (mehr dazu hier…) geteilt. Rechts von ihrem Raum befinde sich das Dienstzimmer des Herrn Kö. (mehr dazu hier…) und links das des Verwaltungsleiters Herrn Mi.

 

„Ich habe die Brandschutzordnung, die jetzt in Kraft ist, erarbeitet“, gibt die Zeugin auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters zu Protokoll. Für die bis Frühjahr 2005 geltende? Brandschutzordnung habe sie nicht verantwortlich gezeichnet. Diese wäre schon in Kraft gewesen, als sie im Polizeirevier angefangen habe. Wer genau für die Erarbeitung der alten Regelung zuständig gewesen sei, wisse sie nicht. Die Erarbeitung müsse aber „grundsätzlich in Abstimmung mit dem Verwaltungsleiter“ geschehen sein.

 

“Ich gehe regelmäßig in der Kantine Essen“, so die 30-jährige. Dies sei auch am 07. Januar 2005 so gewesen. Ihre Mittagspause würde immer ca. 15 bis 20 und manchmal 25 Minuten dauern. Nachdem sie aus der Kantine gegangen sei, hätte sie Beate H. (mehr dazu hier…) getroffen: „Da habe ich die Frau H. getroffen und meine Erinnerung sagt mir, dass sie den Gewahrsamsschlüssel in der Hand hatte“. Das sei so gegen 11.45 Uhr gewesen. Danach, so die Zeugin, erinnert sie sich an ein Telefonat. Beate H. habe sie angerufen und ihr mitgeteilt, „das es eine Störung in der Lüftungs- und Brandmeldeanlage gibt“. Zwei bis drei Minuten später habe Beate H. erneut bei ihr angerufen. In diesem hätte sie geäußert: „da kommen Rauchschwaden raus“. Die Zeugin erinnert sich auch: „Die Anrufe müssen so kurz nach 12.00 Uhr gekommen sein“. Anschließend habe sie sich in den DGL-Bereich begeben. Das wäre 12.10 Uhr gewesen. Das wisse sie deshalb so genau, weil sie dort auf die Uhr geschaut habe. Richter Steinhoff erwidert daraufhin, dass Melanie Ti. in der polizeiliche Vernehmung angegeben habe: „ich glaube ich bin 12.08 hinter gegangen“. Sie habe im DGL-Raum an die Wanduhr geschaut, die sich zwischen den beiden Fenstern befinden würde. Die Zeugin kann sich zunächst nicht mehr erinnern, ob sie zusammen mit ihrer Kollegin Brigitte S. in den DGL-Raum gegangen sei. Brigitte S. hätte sich bereits nach dem ersten Anruf auf den Weg machen wollen. „Da kam aber schon der 2. Anruf“, so die Zeugin zur etwaigen E?ntscheidung ihrer Kollegin, zunächst im Büro zu bleiben. Brigitte S. wäre zu diesem Zeitpunkt (07. Januar 2005; Anm. der Redaktion) zudem diensthabende Verwaltungsleiterin gewesen. „Ich würde eigentlich sagen, dass es eine normale Stimme war“, so die Verwaltungsbeamtin zu ihren damaligen Wahrnehmungen bezüglich der Tonlage der Beate H. Zum Inhalt des ersten Anrufs weis sie heute zu konkretisieren: „Meiner Erinnerung nach hätte sie sich auf eine mögliche Störung berufen“. Es hätte schon einmal Störungen der Brandmeldeanlage gegeben: „Ich denke es war länger als ein Vierteljahr her“, sagt Melanie Ti. zu dem letzten Fehlalarm vor dem Brandereignis. Genau wisse sie dies allerdings nicht. „Ich denke, dass war schon etwas aufgeregter“, sagt sie zur Einschätzung der Stimme Beate H`s. beim zweiten Telefonat. Die Zeugin gibt an, im DGL-Bereich die Verwaltungsangestellte Petra Sch. (mehr dazu hier…) nicht gesehen zu haben. Sie hätte auch einen Blick auf die Monitore im DGL-Raum geworfen. Auf diesen hätte sie schwarzen Rauch gesehen. Geräusche über die Wechselsprechanlage, die mit der Zelle Fünf verbunden ist, hätte sie nicht gehört. Sie erinnert sich zudem an die Verfasstheit der Beate H. in dieser Situation: „Sie hatte ganz rote Wangen und hat gesagt: Da ist doch noch einer“. Da, so die Zeugin, hätte sie zum ersten Mal erfahren, dass sich im Gewahrsamsbereich noch ein Mensch befindet. „Ein Bild hat sich da festgesetzt. Der Herr Kö. wie er vorn übergebeugt da steht und hustete“, antwortet die Zeugin auf die Frage des Richters, wenn sie beim Blick aus dem DGL-Fenster im Hof des Polizeireviers gesehen habe. Sie sagt auch aus, dass sie sich „5 Minuten, maximal 10 Minuten“ im DGL-Bereich auggehalten habe. Danach wäre sie in ihr Dienstzimmer zurückgekehrt. Ob ihre Kollegin Brigitte S. gleich mitgekommen wäre, wisse sie heute nicht mehr. Sie hätte sich dann entscheiden, telefonisch das Dezern?at 22, dass für die Polizeiliegenschaft zuständig sei, über den Brand zu informieren. Außerdem habe sie den Leiter der Verwaltung, Herr Mi., angerufen und ihn über den Brand unterrichtet. Dieser habe sich am 07. Januar 2005 im Urlaub in der Schweiz oder Österreich befunden. Brigitte S. wäre gegen diese Entscheidung gewesen und Ti. hätte sich schließlich durchgesetzt.

 

Nun kommt der Richter auf die Zeugeninformationsveranstaltung, das sogenannte „Freitagsgespräch“ (mehr dazu hier…) im Polizeirevier Dessau zu sprechen. „ich bin nach einer Dreiviertelstunde gegangen“, sagt die Zeugin zur ihrer Teilnahme. Das Gespräch habe 10.00 Uhr begonnen. „Es ging grundsätzlich um die Verhandlung an sich“, sagt die Zeugin zum Inhalt des Gesprächskreises. Außerdem wäre es um Gegebenheiten und Stimmungen des Prozesses gegangen. Sie habe den Eindruck gehabt, dass die Polizeizeugen für die Verhandlung sensibilisiert werden sollten. „Wie zum Beispiel das Mikrofon zu handhaben ist“, erinnert sich die 30-jährige an Hinweise, die der Justizar der Polizeidirektion Dessau, Herr Fi., gegeben hätte. „Er hat einige Beispiele genannt, wie es hier zugeht“, erinnert sie sich zur Funktion des Justiziars. „Herr Fi. beschreibt das immer sehr genau“, so die Verwaltungsbeamtin auf die Frage Steinhoffs, ob dieser Teil des Briefings 45 Minuten gedauert habe. So erinnert sie sich heute an folgenden Wortlaut des Beamten der Polizeidirektion (Fi.; Anmerkung der Red.) „Ich möchte hier ein Zitat des Philosophen Se. (mehr dazu hier…) aus dem Jahr 2007 nennen“. Damit spielte die Zeugin auf die etwaigen Ausspruch des Zeugen Se. (mehr dazu hier…) an, der in der Veranstaltung davon gesprochen haben soll, dass alle Aussagen ein kleiner Teil eines großen Puzzles wären. Die Zeugen, die bereits vor Gericht ausgesagt haben, hätten im Briefing kaum etwas gesagt. Mit Ausnahme des Kollegen Se., so die Zeugin. „Ein Großteil hat der Herr Fi. gesprochen“, weis die 30-jährige zu berichten. Ihres Wissens hätte Herr Kö. (mehr dazu hier…) nichts gesagt und der Revierleiter K. „2-3 Sätze“. „Es wurde in jedem Fall angesprochen“, sagt sie auf die Frage Steinhoffs, ob auch etwaige Falschaussagen von Polizeibeamten vor Gericht zu Sprache gekommen seien. „Ich denke eher es war Schweigen“, sagt sie zu den Reaktionen der anwesenden Beamten auf diesen Themenkomplex.

 

Nun beginnt Oberstaatsanwalt Preissner seine Befragung. Zunächst möchte er von der Zeugin wissen, ob sie während der Telefonate mit Beate H. in ihrem Dienstzimmer auf die Uhr geschaut habe. „Eher nicht“, so Melanie Ti. Sie erkläre sich die Zeitabfolgen aus „Schätzung und Rückrechnung“. „Wenn ich aus der Kantine komme, gehe ich so gut wie immer gleich in mein Zimmer“, so die Zeugin zu ihren Gepflogenheiten. Der Staatsanwalt möchte von der Zeugin noch einmal konkret wissen, wo sie nach dem Essen Beate H. getroffen habe. „Im Treppenhaus, auf der Ebene der Parterre“. Außerdem sagt sie zur damaligen Bewegungsform der Beamtin aus: „Ich würde sagen, ich habe sie stehen sehen“. Es könne sein, dass Beate H. in diesem Moment noch auf einen Kollegen gewartet haben könnte. „Konkret eigentlich nicht“, antwortet die Zeugin auf die Frage, ob sie sich erinnern könne, was sie vor den Telefonaten mit Beate H. in ihrem Dienstzimmer gemacht habe. Über der Tür wäre zum damaligen Zeitpunkt in ihrem Raum eine Uhr gewesen. Um auf das Ziff?ernblatt zu schauen, hätte sie nach rechts gucken müssen. Beim ersten Anruf mit Beate H. habe sie „eher nicht“ auf die Uhr gesehen. „Die Tür ist mit einem Schrank zugestellt“, so die Zeugin zur Frage, ob es möglich sei, dass Heiko Kö. aus seinem Dienstraum direkt in das Zimmer des Verwaltungsleiters Mi. gehen könne. Sie könne sich auch nicht erinnern, am 07. Januar 2005 aus dem Zimmer Kö`s. ein Gespräch mit dem Revierleiter K. gehört zu haben. Nach dem ersten Telefonat habe sie ihrer Vorgesetzten Brigitte S. gerade den Gesprächsinhalt paraphrasiert, als der zweite Anruf gekommen sei. Auch nach dem zweiten Telefonat hätte sie nicht auf die Uhr geschaut. Nachdem Brigitte S. sich aus dem Dienstzimmer in Richtung DGL-Bereich bewegt hätte, wäre sie „gleich hinterher gegangen“. Sie hätte in diesem Moment nicht mit ihrer Kollegin über den Sachverhalt gesprochen. „Wir wollen auch versuchen, uns ein Zeitschema zu erarbeiten“, begründet Preissner seine intensiven Befragung zu diesem Komplex. Daraufhin hält ihr Preissner aus den Akten die Aussage ihrer Kollegin vor. Diese habe angegeben, dass sie sich mit der Zeugin „mehrere Minuten“ über die Telefonate unterhalten habe. Erst dann hätte sie zusammen mit Melanie Ti. das Dienstzimmer verlassen. Diese Wahrnehmung der Kollegin bestätigt die Zeugin heute nicht: „Es kann sein, dass da dazu ein kurzer Wortwechsel gab, vielleicht auf den Weg dorthin. Ein Gespräch über mehrere Minuten kann ich ausschließen.“ Auf dem Weg zum DGL-Bereich, der sich auf der gleichen Etage und im selben Flur befinde, hätte sie zunächst eine Brandschutztür passiert, die noch offen gewesen sei. Nachdem sie den Flur in Höhe Treppenhaus erreicht habe, wäre sie durch die nächste Brandschutztür gegangen, die ebenfalls offen gestanden habe. Besonderheiten auf dem Weg zum DGL-Raum hätte sie in dieser Situation nicht wahrgenommen.

 

“Eine Brandschutzordnung in der Zeit wo ich im Polizeirevier Dessau bi?n, hat nicht stattgefunden“, sagt die Zeugin auf Nachfrage des Oberstaatsanwaltes aus. „Ich muss ja nicht solange in meinen Zimmer bleiben, bis die ersten Flammen kommen“, eröffnet der Anklagevertreter seinen Fragekomplex zur jetzt gültige Brandschutzordnung des Polizeireviers Dessau, welche die Zeugin maßgeblich ausgearbeitet habe. Er spielt damit insbesondere auf vorgeschriebene Fluchtwege und Verhaltensregeln im Brandfall an. Die Zeugin bestätigt, dass es keine Hausprechanlage gegeben hätte und noch heute nicht gäbe, über welche die Bediensteten des Polizeireviers im Notfall von einem Brand in Kenntnis gesetzt werden könnten. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich da jemanden wahrgenommen habe“, antwortet die Zeugin auf die Frage, ob sie Vorzimmer des DGL-Raums eine Person gesehen hätte. Melanie Ti. gibt an, dass sie damals keinen dienstlichen Zuständigkeitsbereich gehabt habe, der sich explizit auf den DGL-Raum bezogen habe. „Wir wollten also sehen, was tatsächlich passiert ist“, sagt sie heute zu ihrer Motivation, nach den Anrufen Beate H.`s gemeinsam mit ihrer Kollegin in den DGL-Raum zu gehen. Sie hätte ohne hin nicht viel tun können. Wann sie nach dem Besuch im DGL-Raum genau in ihr Büro zurückgekommen sei, wisse sie nicht mehr. „Wenn ich mich recht erinnere, mussten die per Hand geschlossen werden“, so die Zeugin zum Verschließen der Brandschutztüren am 07. Januar 2005. Den Revierleiter K. hätte sie bei dieser Tätigkeit konkret beobachtet. „Von der Verfassung her würde ich sagen, er war schon ein bisschen nicht ganz ruhig“, erinnert sich die Zeugin an den Eindruck, die sie vom Revierleiter in diesem Moment gehabt hätte.

 

“Diese schrecklichen Ereignisse, haben die irgendwelche Folgen im Haus gehabt?“, möchte Preissner zum Abschluss seiner Befragung wissen. „Jein“, antwortet die Zeugin hinsichtlich der Überarbeitung der Brandschutzordnung. Die mündliche Anweisung zur Überarbeitung der Brandsch?utzordnung habe sie vom Chef der Verwaltung, Herrn Mi., bekommen. Die neue Fassung der Verordnung wäre nach ihren Erinnerungen 3 Monate nach dem Brand fertig gewesen. Diese habe sie zunächst Herrn Mi. vorgelegt und später wäre sie über den Schreibtisch des Revierleiters und des Leiters des zentralen Einsatzdienstes gegangen. „ich arbeite eigentlich recht eigenständig“, so die Zeugin auf die Nachfrage Preissners, ob sie bei der Überarbeitung der Verordnung Experten hinzu gezogen habe. Sie habe sich aus dem Internet andere Brandschutzordnungen angeschaut. Das wäre ihre Grundlage für die Überarbeitung der jetzt gültigen Fassung gewesen. „Was haben sie konkret zugearbeitet?“, will der Anklagevertreter zum Schluss wissen. „Den Text der Brandschutzordnung“, so die 30-jährige dazu.

 

Nun beginnt Rechtsanwalt Isensee für die Nebenklage seinen Fragenkomplex der weiteren Erörterung der beiden Telefonate, die die Zeugin mit der Beamtin Beate H. (mehr dazu hier…) unmittelbar nach 12.00 Uhr geführt habe. Auf die entsprechende Frage Isensee´s führt die Befragte aus, dass die Mithörfunktion des Telefons nicht aktiviert gewesen sei und sie ihrer Kollegin Brigitte S. von den jeweiligen Gesprächsinhalten berichtet habe. Die Zeugin erinnert sich heute daran, dass die Verwaltungsmitarbeiterin Sch. zwischen den beiden Telefonaten das Dienstzimmer in Richtung DGL-Raum habe verlassen wollen. Sch. habe jedoch das zweite Gespräch auch noch mitbekommen, wobei die Zeugin Ti. ihre Kollegin Sch. noch über dessen Inhalt informiert haben soll. Ti. habe die eingehenden Telefonate auf ihrem Apparat zwischen hausinternen und externen anhand des Klingeltones unterscheiden können. Die Frage des Nebenklagevertreters ob Revierleiter K. und Leiter Einsatzdienst Kö. sich zu diesem Zeitpunkt im DGL-Bereich a?ufgehalten hätte, verneint die Zeugin. Da „ist ja noch jemand in der Zelle“ gibt sie heute den Gesprächsinhalt zwischen Beate H., ihrer Kollegin Brigitte S. und sich selbst zu Protokoll. Die Verwaltungsmitarbeiterin Melanie Ti. habe während des Gesprächs vor dem Schreibtisch gestanden, Beate H. hinter selbigem und sie habe „gerötete Wangen“ gehabt und sei „innerlich sehr aufgeregt“ gewesen. Einen ärgerlichen Eindruck habe H. in diesem Moment auf Ti. nicht gemacht, so die Antwort Ti.s auf einen Vorhalt aus den Akten zum Gemütszustand der Einsatzleiterin im DGL-Bereich. Fortfahrend kommt Isensee nochmals auf das zweite Telefonat zwischen Beate H. und Ti. zu sprechen und will wissen, wie dieses verlaufen sei. „Da unten kommen Rauchschwaden raus.“ gibt die Befragte den Gesprächsinhalt wieder. Nur dieser eine Satz sei ihr in Erinnerung fügt sie hinzu. „Erklären kann ich es mir nicht, ich denke sie wollte auf jeden Fall jemandem aus der Verwaltung Bescheid sagen.“ antwortet sie auf die entsprechende Frage der Nebenklage, warum ausgerechnet sie in dem Moment von Beate H. angerufen worden sei. Einen privaten Kontakt habe sie selbst zu der Beamtin H. nicht, wenn sie mit ihr zu tun hatte, dann nur dienstlich. „Ich sag mal: Hallo und Guten Tag“ konkretisiert sie dieses Arbeitsverhältnis.

„Sie stand ja unter hoher psychischer Belastung zu diesem Zeitpunkt, das hat die Behörde auch gemerkt“, gibt die Zeugin heute an, welche Gründe sie möglicherweise für die Versetzung Beate H.s (mehr dazu hier…) unmittelbar nach den Geschehnissen des 07. Januar 2005 sehe.

 

Sie selbst habe die Medienberichterstattung im Zusammenhang mit dem Fall Oury Jalloh „teils, teils“ verfolgt. Auf Nachfrage wie das Interesse bei ihren Kollegen sei, sagt sie: „Ich denk m?al, da gibt’s unterschiedliche Auffassungen dazu. Den einen interessiert es, den anderen nicht.“ Sie gab heute außerdem dazu an, dass sie sich gefragt habe, wie öffentlich rechtliche Medien in der geschehenen Art und Weise darüber berichten konnten, obwohl sie doch nicht dabei gewesen seien.

 

Nach den Bowlingabenden der Revierbelegschaft befragt, führt Ti. aus, dass sie ein bis zwei mal im Quartal statt fänden und „der Personenkreis ist mehr oder weniger fest“. Sie zählt danach befragt jene Kollegen auf, die ihrer Erinnerung nach zu dieser Sportgruppe gehören. Der Angeschuldigte Andreas S. sei “hin und wieder“, nach dem Brandereignis zwei bis drei Mal, dabei gewesen. Der Angeschuldigte Hans-Ulrich M. dagegen nie. An den Bowlingabenden, an denen sie teilgenommen habe, wurde stets auf zwei Bahnen gespielt. Es habe keine festen Gruppen gegeben und an Gespräche zum Sachverhalt Oury Jalloh, insbesondere in Bezug auf den anwesenden Beschuldigten Andreas S., könne sie nicht bestätigen. „Das hätte ich gerne mal getan“ drückt sie heute ihr Bedauern aus, den Angeklagten nie darauf angesprochen zu haben.

 

Der von anderen Zeugen dargestellten Ausleihoption von Videoaufzeichnungen, die sich mit dem Fall Jalloh beschäftigen, widersprach sie. Nach ihrem Kenntnisstand habe der Leiter der Verwaltung Mi. zwei dieser Dokumentationen privat aufgezeichnet und diese zum Ende der regelmäßigen Dienstberatung am Donnerstag irgendwann mal gezeigt. Sie selbst hätte auch einen Beitrag aufgezeichnet. Hin und wieder habe man auch über den Fall Oury Jalloh in den Dienstberatungen gesprochen. Zu den Berichterstattungen in den Medien hätten sich die Beamten unterschiedlich geäußert, einige hätten nichts dazu gesagt, andere „nur mit dem Kopf geschüttelt“. Am Beispiel eines Beitrags de?s Politmagazins „Monitor“ verdeutlicht sie die Diskussion unter den Kollegen. Hier soll von einem vierten Eingang zum Polizeirevier gesprochen worden sein. „Den suchen wir immer noch, den vierten Eingang“, beschreibt die Zeugin das Stimmungsbild im Revier Dessau dazu. „Da müssten wir mal selber was zu schreiben, wie wir uns da fühlen im Polizeirevier“ gibt sie den Unmut unter den Kollegen, bezüglich der vermeintlich nicht objektiven Medienberichterstattung wieder.

 

Zum Komplex Hausmitteilung vom Nebenklagevertreter Isensee angesprochen, erinnert sich die 30-jährige an „drei oder vier solcher Mitteilungen“. Diese habe sie per Mail oder in ausgedruckter Form erhalten. Heute könne sich die Zeugin nur noch daran erinnern, dass sie eine Hausmitteilung in einen „Gewahrsamsordner“ ablegt habe. Diesen könne sie dem Gericht zur Verfügung stellen, entgegnet sie auf eine entsprechende Frage. Laut einer Anmerkung von Rechtsanwalt Isensee sollen sich der Inhalt der Hausmitteilungen, die im Revier aushingen, von denen die im „Leitz-Ordner“ (mehr dazu hier…) abgeheftet seien, unterscheiden.

 

Die Internetseite, welche über den Verlauf des Prozesses informiere, würde der Zeugin zufolge auf den Dienstberatungen donnerstags „offiziell“ nicht erwähnt, sie selbst informiere sich aber trotzdem regelmäßig dort. Die Frage des Nebenklägers Isensee, ob sie sich dort gut informiert fühle, beanstandet Richter Steinhoff als „nicht relevant“ für das Verfahren.

 

Rechtsanwältin Götz will nun wissen, was passiert sei, nachdem die Zeugin den DGL-Raum betreten habe. „Ich stand da im Zimmer. Soweit ich m?ich erinnere, direkt vor dem Schreibtisch.“ wo Beate H. dahinter gestanden habe. Die Verwaltungsmitarbeiterin Brigitte S.. soll sich links neben ihr befunden haben, gibt sie heute an. Sicher sei sie sich da aber nicht. Wann sie in diesemnt auf den Überwachungsmonitor des Gewahrsamstraktes geschaut habe, kann sie nicht mehr konkret sagen nur dass sie es getan habe: „Ich denke, ich habe nichts da irgendwie zu gesagt“. „Ich denke es war offen das rechte Fenster“ weis sie fortführend noch zu berichten. Im DGL-Bereich sollen sich laut Zeugin Ti. keine weiteren Personen als Beate H., Petra Sch. und sie selbst befunden haben. Ob im Vorraum währenddessen etwas geschehen sei, habe sie nicht wahrnehmen können. Sie habe keine Erinnerung daran, dass Beate H. weitere Telefonate geführt habe.

 

Wer die internen Hausmitteilungen verfasst habe wisse sie selbst nicht, gehe aber davon aus, dass dies von den Vorgesetzten K. oder Kö. erfolgt sein müsse.

 

„In Erinnerung sind mir zwei Mal“ meint sie, befragt auf das Erscheinen des Angeschuldigten Andreas S. im Polizeirevier Dessau seit dem 07. Januar 2005. Dies sei einmal bei ihr im Dienstzimmer und einmal im Raucherraum gewesen.

 

Über die Medien soll transportiert worden sein, dass der damalige Dienstgruppenleiter Andreas S. den Alarm zweimal weggedrückt haben soll und nicht gehandelt habe. „Ich kann es mir persönlich nicht vorstellen, dass er das gemacht hat.“ führt sie an, und ergänzt: „Die Tatsache an sich konnte ich mir nicht vorstellen, dass man wegdrückt und nichts macht.“

 

Auf Nachfrage von Rechtsanwalt Klinggräff bezüglich des Ge?sprächsinhaltes zum ersten Telefonat zwischen Beate H. und der Zeugin Ti. gibt diese an, dass H. in einem Satz von einem Alarm in der Lüftungs- und Brandmeldeanlage gesprochen habe. Von der Fixierung des Oury Jalloh in Zelle Fünf habe die heutige Zeugin erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis erlangt. „Darum ging es in dem DGL-Raum nicht?“ fragt der Nebenkläger „Nein!“, antwortet Ti. .

 

Klinggräff hakt zum Komplex „Freitagsgespräch“ nach und will unter anderem wissen, ob eine mögliche Falschaussage von Polizisten Thema war. „Ja“, so die Befragte kurz und knapp. Wie die vermeintlichen Unwahrheiten von bereits befragten Zeugen thematisiert worden wären, will Klinggräff es genauer wissen. „Ich muss auch gestehen, ich hab nur mit einem halben Ohr hingehört.“ führt sie zu ihren Erinnerungslücken aus. Denn sie habe die Zusammenkunft, welche 10.00Uhr begonnen haben soll, bereits 10.45Uhr aufgrund eines anderen Termins verlassen. Durch Presseberichte sei ihr bekannt geworden, „dass die Aussagen der Kollegen unstimmig sind und mindestens ein Kollege lügen müsse“, gibt sie als mögliche Erklärung an, warum dieser Punkt in dem „Freitagsgespräch“ angeführt worden sei. „Ich denke mal, im Raum standen die Namen Kö. und Mö.“, ohne dass diese während ihrer Anwesenheit konkret ausgesprochen worden seien. Die Nicht-Anwesenheit der Zeugin Beate H. erklärt sich die 30-jährige damit, dass diese versetzt worden sei und nicht mehr zum Revier gehöre. In dem erstmaligen Zeugeninformationstreffen im März 2007 soll es laut der Zeugin vorwiegend um allgemeine und erweiterte Aussagegenehmigung gegangen sein.

 

Nun kommt Rechtsanwalt Isensee nochmals zum Zuge und spricht Melanie Ti. auf den Besuch des Angeschuldigten S. in ihrem Dienstzimmer an. Er hätte sich lediglich zwei bis drei Minuten bei ihr aufgehalten, ein kon?kretes Gespräch habe es nicht gegeben. S. habe letztlich noch zur Zeugin gemeint: „Schönen Gruß zu Hause.“ Dies habe sich an Ti.s Lebensgefährten gerichtet, der in der Vergangenheit in der Schicht von Andreas S. eingeteilt gewesen sei. „Über den Sachverhalt haben wir uns gar nicht unterhalten“, so die Zeugin. Da wäre sie sich „ganz sicher“. „So einen Sachverhalt wünscht man keinem Kollegen.“ begründet Ti. die Situation in der sich der ehemalige Dienstgruppenleiter S. befunden hätte. „Oury Jalloh hätte sich auch nicht gewünscht, sich in so einer Situation zu befinden“, kommentiert Rechtsanwalt Isensee diesen Einwurf der Zeugin.

 

Teuchtler, der Verteidiger des Angeschuldigten S., kommt jetzt auf die Uhren im Polizeirevier zu sprechen, worauf die Zeugin angibt, dass es sich in ihrem Dienstzimmer, sowie im DGL-Bereich zum damaligen Zeitpunkt um eine „Analoguhr mit Zeigern“ gehandelt haben soll. Weiter geht Rechtsanwalt Atilla Teuchtler nochmals auf die Telefonapparate ein, die im Revier zum Einsatz gekommen seien. „Ich weiß nur, ich hatte ein ganz anderes als Herr Kö. “, kann die Zeugin dazu berichten und ergänzt: „Alle Bereichsleiter hatten eins mit Display“.

 

„Sie hat Lüftungs- und Feuermeldeanlage in einem Atemzug genannt“, ist sich die Zeugin auf Nachfrage des Verteidigers Teuchtler sicher, ob Beate H. das Anschlagen der Brandmeldeanlage und der Lüftungsmeldeanlage in zwei separaten, zeitlich versetzten Telefonaten mitgeteilt habe. Die Beamtin H. habe von „Störung“ und nicht von „Alarm“ gesprochen, schließt Ti. diese Ausführungen ab. Fehlalarme würden schriftlich der Verwaltung, genauer Frau Sp., übermittelt. Diese sei für Liegenschaftsangelegenheiten zuständig. Ihrer Erinnerung nach, könne es nicht viel mehr als „zwei, drei, vier“ solcher Vorgänge gegen haben, wobei ihr Konkr?etes dazu nicht bekannt sei.

 

Beate H. habe sie am 07. Januar 2005 erstmals 11.45 Uhr im Treppenhaus auf der Höhe der Hauswache mit dem Gewahrsamsschlüssel in der Hand wahrgenommen, berichtet Ti. auf eine entsprechende Frage Teuchtlers. Dabei hätte sie ihren Rücken dem Eingangsbereich zugewandt.

 

Durch den Verteidiger nochmals auf die „Empörung“ der Polizeibeamten hinsichtlich der medialen Berichterstattung angesprochen, beteuert sie erneut, dass sie sich ein „Wegdrücken des Alarms“ durch Andreas S. nicht vorstellen könne. Ihr sei auch kein Fall bekannt, in dem Beamte des Polizeireviers Dessau mit rassistischen Äußerungen aufgefallen wären, so die Zeugin auf das Nachhaken Teuchtlers, zum mehrfach thematisierten Rassismusvorwurf im Rahmen des Prozesses.

 

Der Verteidiger des Angeschuldigten März, Rechtsanwalt Tamoschus, will mehr über das Verfassen der neuen Brandschutzordnung, die nach den Geschehnissen des 07. Januar 2005 entstanden sein soll, wissen. Ob die Zeugin Melanie Ti. eine Richtlinie des Innenministeriums kenne, wie Bandschutzordnungen aussehen müssten, interessiert den Rechtsanwalt konkret. „Nicht bekannt.“, so die Befragte kurz und bündig. Woher die 30-jährige denn dann ihre Information gewonnen habe, um eine Bandschutzordnung zu verfassen, will es der Verteidiger nun genauer wissen. Sie habe sich Brandschutzordnungen aus dem Netz gezogen, so die Befragte zur Frage des Verteidigers. Aus der damaligen Bandschutzordnung hält der Verteidiger Melanie Ti. nun vor, dass sich die Brandschutztüren im Revier am 7. Januar 2005 doch hätten automatisch schließen müssen und will zudem wissen, ob dieser Mechanismus auch damals funktioniert habe. „Von Hand wurden die ?Türen geschlossen“, gibt die Zeugin hierzu an. Sie berichtet zum diesem Themenkomplex weiter, in den Brandschutztüren würde sich nach ihrem Wissen ein System befinden, welcher das Schließen der Türen bei Rauchentwicklung automatisch veranlassen würde.

 

Der Rechtsanwalt Felix Isensee beantragt schließlich die Vereidigung der Zeugin Melanie Ti. mit der Begründung, dass ihre Aussage für das weitere Verfahren bedeutsam sei. So gebe es einen Widerspruch zur Zeugenaussage der Beamtin Beate H. Dieser bestehe darin, dass Beate H. ausgesagt habe, Störungen der Brandmelde- und Lüftungsanlage in jeweils zwei voneinander zeitlich versetzen Telefonaten der Zeugin Ti. angezeigt zu haben. Die Zeugin bekundet dagegen heute, dass Beate H. beide Störungen im ersten Telefonat erwähnt haben soll. „Ich gestehe, auch schon daran gedacht zu haben“, so der Richter zu diesem Antrag. Schließlich vereidigt Steinhoff die 30jährige Verwaltungsbeamtin.

 

“Danach brauchen wir die Kalender“, hatte Richter Steinhoff bereits vor der Mittagspause angekündigt. Die Prozesstage nummero 31 bis 37 wurden festgelegt.

Prozessbeobachtergruppe: http://www.prozessouryjalloh.de