19. Prozesstag

August 30, 2007

19. Prozesstag – 19. Juli 2007 // 9.00 – 11.30

„Es war eigentlich ganz schön Qualm, da habe ich dann auch nicht mehr an Essen gedacht.“

Systemadministrator steht Rede und Antwort

Die Eröffnung des 19. Prozesstages verzögert der Vorsitzende Richter Steinhoff mit den Worten: „Sobald wir auch geistig anwesend sind“ noch einen kurzen Moment, um sich zu sammeln. Dann beginnt Rechtsanwalt Felix Isensee mit einer Erklärung für die Nebenklage. Er beginnt mit Vorhaltungen, dass „der eine oder andere Zeuge hier lügen muss, weil sich hier Aussagen konträr gegenüberstehen.“

 

Wenn der Angeschuldigte Andreas S., als er vom DGL-Bereich kam, von der Hauswache aus angerufen habe, müsste der Zeuge Kö., wenn er gleich losgelaufen wäre, bereits lange vor S. das Foyer erreicht haben, so Isensee zu einem Widerspruch der Aussagen der Zeugen Mö. (mehr dazu hier…) und Annette F. (mehr dazu hier…). So sei S. gleich runter in den Gewahrsamstrakt gelaufen und habe die Zellentür geöffnet. Nachdem ihm bewusst geworden wäre, dass es dort brennt, sei er mit dem Ziel auf den Hof gelaufen, einen Fe?uerlöscher für den Rettungsversuch zu organisieren. Diesen habe er aber abgebrochen und sei wieder hoch ins Foyer gelaufen. Kö. sei aber sehr viel später runter gelaufen und könne Andreas S. nach Aussagen von Annette F. , Gerald K. und Marion Pa. nicht einmal aus dem Gewahrsamsbereich hochkommend gesehen haben. Abschließend stellt er die Frage in den Raum: „Warum lügt Herr Kö.?“

 

9.20 Uhr betritt der 45jährige Lutz Sp. den Saal. Er sei seit 2001 der Systembetreuer des Polizeireviers und damit für die technische Betreuung der Endgeräte wie Computer, Telefonanlagen und Funkgeräte zuständig. Richter Steinhoff belehrt ihn entsprechend seiner Rechte und ergänzt: „Nicht mauern, das hatten wir mittlerweile ziemlich oft.“

 

Steinhoff fragt ihn eingangs nach den Telefonapparaten, welche zum Zeitpunkt des Brandgeschehens im Revier Verwendung fanden. „Alcatel … 25er-Anlage“ so der Zeuge. „Überwiegend analoge Telefone von der Firma Alcatel und dann gab es noch ein paar ISDN-Telefone“ mit Nummernanzeige, so Lutz Sp. weiter. Wer im Revier alles ISDN-Geräte hatte, will der Vorsitzende wissen. „Revierleiter Ko., Einsatzleiter Kö., Frau F., Leiter RKD, EK-Gruppenleiter, der Leiter der Verwaltung Herr Mi. und der Leiter der Verkehrspolizei Herr Li.“, gibt der Zeuge zu Protokoll. Ferner will Steinhoff mehr zu der LCD-Anzeige wissen Laut dem Befragten wurde im Display immer entweder die Nummer des Anrufers oder der in der Anlage einprogrammierte Namen abgekürzt angezeigt. Ob Sp. etwas zu Besonderheiten der Apparate von Revierleiter K. und seiner Sekretärin sagen kann, hakt Steinhoff dann nach. Die Anrufe wären vom Apparat des Revierleiters auf das Telefon im Vorzimmer umlegbar, dass nenne man „Chefzimmerfunktion“. Diese Einstellung sei laut Zeuge Sp. vom Anrufer wahrnehmbar.

 

Mit den Worten: „Ich habe da mal etwas vorbereitet, würde Jean Pütz jetzt sagen“, bittet Manfred Steinhoff die Prozessbeteiligten nach vorn, um sich ein digitales Exemplar der Endgeräte, der Marke „Alcatel Typ 74“, anzuschauen. Hausinterne Telefonate zu speichern sei nicht möglich, so der Befragte auf entsprechendes Nachhaken des Richters.

 

Jetzt kommt der Vorsitzende auf den 07. Januar 2005 zu sprechen. Lutz Sp. habe regulär früh morgens seinen Dienst begonnen. Alsbald habe er eine Störungsmeldung in der Polizeistation Kochstedt gemeldet bekommen. Dort sei er mit einem Kollegen von der Kriminalpolizei hingefahren. Die Beiden seien dann, laut seinen Erinnerungen, „12.08/12.09 Uhr“ wieder im Polizeirevier in der Wolfgangstraße eingetroffen. Dies wisse er deshalb so genau, weil er beim Eintreffen am Hintereingang zum Gebäude extra auf seine Uhr geschaut habe.

 

Nach Betreten des Treppenhauses habe der Befragte den Angeschuldigten Andreas S. und den Polizeibeamten Gerhardt Mö. die Treppe in Richtung Gewahrsamstrakt runter kommen sehen: „sehr dicht beieinander.“ „Die Beiden hatten es sehr eilig“, so der Zeuge weiter. Er selbst habe es auch sehr eilig gehabt, da er 12.30 Uhr in der Kantine Mittag essen wollte. „Ich wollte auch nicht zu spät kommen“, so Sp. Entgegen seiner polizeilichen Vernehmung erinnert er sich heute, den Fahrstuhl links neben der Wache zu seinem Büro im zweiten Obergeschoß genutzt zu haben. Mit wem die Hauswache personell besetzt gewesen sei, könne er nicht mehr sagen: „Ich kann mich an keine Person erinnern“ „Ich habe nicht bemerkt, dass sie (Mö. und Kö.; Anm. d Red.) etwas in der Hand hatten oder was gesagt haben“, so der Zeuge auf einen entsprechende Frage des Vorsitzenden. Er sag?t dazu weiter aus: „Also einen 5-Kilo-Löscher, das hätte ich bestimmt gemerkt.“ Nach den Personen befragt, welche er im Foyer wahrgenommen habe, meint er: „Also ich hatte in dem Moment nur die Hauswache wahrgenommen.“ Wie lange er sich in seinem Dienstzimmer aufgehalten habe und was er dort getan habe, könne er heute nicht mehr sagen. Er habe es jedoch „definitiv“ vor 12.30 Uhr verlassen, um rechtzeitig zum Mittagstisch zu gelangen. Mit dem Fahrstuhl im Foyer angekommen, habe er Qualm wahrgenommen und bemerkt: „dass viel los ist… und dann stand ich irgendwann im Hof.“

 

„Stopp, nicht so schnell“, so Richter Steinhoff und will mehr über die Wahrnehmungen des Zeugen im Foyer wissen. „Ich krieg seit meiner Vernehmung kein Bild mehr zusammen“, so der 45jährige auf das Vorhalten möglicher Namen durch Richter Steinhoff. „Ich habe einige Beamte gesehen, die aus dem Keller kamen, rußverschmiert und gekeucht haben, aber wen, kann ich nicht mehr sagen“. Ferner gibt er zu seinen Wahrnehmungen bezüglich des Brandgeruchs zu Protokoll: „Es war eigentlich ganz schön Qualm, da habe ich dann auch nicht mehr an Essen gedacht.“

 

Im weiteren Verlauf des Geschehens habe er den Revierleiter K. auf dem Hof wahrgenommen, dieser sei erst nach Sp. selbst auf dem Hof gewesen: „Er kam sehr hektisch raus aus dem Gebäude.“ Der Revierleiter Gerald K. habe versucht den Schlauch abzuwickeln, um einen Löschversuch zu starten. „Herr K. war für mein Dafürhalten in dem Moment unter völliger Panik“, so der Zeuge. „Kopflos und verwirrt“, sei K. mit dem Schlauch losgerannt. Dieser sei aber verknotet gewesen, weshalb kein Wasser raus gekommen wäre. Dann habe er zum Fenster des DGL-Bereiches hoch geschaut, zu einer Person, die der Zeuge heute nicht mehr benennen kann. Diese habe „irgendwas mit Feuerwehr“ gerufen. „Diese Person sei ?gleich weg“, so Sp. zur Reaktion der Angesprochenen. Wann er K. rußverschmiert gesehen habe, will der Richter wissen. Der Befragte antwortet: „Vor dem Wasserschlauch definitiv nicht“. Ob er die drei anderen Beamten rußverschmiert nach K. hochkommen gesehen habe, könne er nicht mehr sagen.

 

„Ob ich mal noch Fotos machen könnte?“, habe der Leiter des Revierkriminaldienstes Hanno S. ihm auf dem Hof des Polizeireviers aufgefordert. Er habe aber nur draußen Übersichtsaufnahmen gefertigt. Auf Aufnahmen im Gebäude habe er aufgrund der Gefahrenlage verzichtet. Weitere Erinnerungen, etwa wann das Feuer beendet gewesen sei oder wie er selbst in das Gebäude zurückgekommen sei, habe er heute nicht mehr.

 

Im Anschluss an die Geschehnisse habe der Revierleiter K. ihn noch angewiesen: „Übergeben sie doch mal das digitale Notrufband dem RKD-Leiter“ (Leiter Revierkriminaldienst Hanno S., Anm. d Red.). Das habe er dann im DGL-Bereich auch getan.

 

Der Oberstaatsanwalt Christian Preissner will zu Beginn seiner Befragung als Erstes noch etwas zur Genauigkeit der Armbanduhr des Zeugen wissen. Diese gehe laut Sp. pro Woche circa zwei Minuten nach. Diese Ungenauigkeit würde er in unregelmäßigen Abständen durch Nachstellen korrigieren. Wann er das vor dem Geschehen vom 07. Januar 2005 zu letzt getan habe, könne er nicht mehr sagen.

 

„Qualm war da, im Foyer war aber alles zu sehn“, so der Zeuge auf die Frage Preissners nach den Sichtverhältnissen. Ergänzend führt er aus, dass es „ziemlich dunkel“ gewesen sei. Aufgrund des Qualmes habe der Zeuge geschlussfolgert, dass es brenne, was er mit de?n Worten einführte: „Qualm kommt da raus, da kann ich doch nicht essen gehen, das geht doch nicht.“ Irgendwann habe der 45jährige Systembetreuer wahrgenommen, dass die Feuerwehr vor Ort gewesen sei.

 

Das digitale Notrufband habe Lutz Sp. nach Anweisung von Revierleiter K. aus dem Technikraum des Polizeireviers „geholt, in die Hülle rein gepackt und beschriftet“ und er habe den Inhalt selbst nicht überprüft, sondern es „sofort übergeben.“

 

Als Vertreterin der Nebenklage beginnt Rechtsanwältin Regina Götz ihre Befragung. Konkreter will sie wissen, was auf dem digitalen Notrufband noch alles aufgezeichnet wird. Dazu gibt der Zeuge zu Protokoll, dass neben den Notrufen der 110 auch der Funkverkehr auf Zweimeterband und Viermeterband digital mehrspurig aufgezeichnet würde.

 

Auf die Frage des Rechtsanwalt Felix Isensee, ob er während der Geschehnisse Personen aus Richtung Kantine habe kommen sehen, gibt der Befragte ein klares „Nein“ zur Antwort. Den Zeugen Jürgen S. und den Angeschuldigten Hans-Ulrich M. habe er auf dem Hof nicht gesehen. Im DGL-Bereich habe er nur den Revierleiter K. wahrgenommen, an die Einsatzleiterin Beate H. könne er sich nicht erinnern.

 

Auf einen Vorhalt von Atilla Teuchtler, der Verteidiger des Angeschuldigten Andreas S., dass sein Kollege mit dem er in Kochstedt gewesen sei, ihre Ankunft im Revier mit „gegen 12.00 Uhr“ angegeben habe, meint er: „Sehen sie, da weis der Kollege das nicht genau. Ich weis es genau, weil ich auf die Uhr geschaut habe.“

 

Abschließend erkundigt sch Richter Steinhoff noch beim Zeugen nach der Möglichkeit des Auslesens des digitalen Notrufbandes. Dass sei heute, nach der Umstellung der kompletten Anlage, nur noch über den Herr We. in der Polizeidirektion möglich.

Prozessbeobachtergruppe: http://www.prozessouryjalloh.de