40. Prozesstag

März 12, 2008

04. März 2008  //  9.00 – 16.00

„Ich verhafte Sie auch hier im Saal. Sie glauben, wie viele andere, dass das Verfahren hier totaler Scheiß ist und wenn Sie hier raus sind ist alles erledigt. Das ist nicht so!“

 

Strafanzeige wegen uneidlicher Falschaussage gegen Polizeibeamte // Hauptbelastungszeugin Beate H. zum zweiten Mal befragt // Besucher des Saales verwiesen

 

Am 40. Verhandlungstag werden von vier geplanten Zeugen lediglich zwei vom Gericht befragt. Beate H. (mehr dazu hier…) wird außerplanmäßig zum zweiten Mal in den Zeugenstand gebeten.

Um 9:03 Uhr erscheint Richter Manfred Steinhoff im Verhandlungssaal und begrüßt die Anwesenden mit der Aussage: „Anträge und andere Unwilligkeiten machen wir später.“ Durch Beschluss der Kammer wird die Rechtsanwältin Martina Arndt, die heute den nicht anwesenden Nebenkläger Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff vertritt, zur Verhandlung zugelassen.

Ein Prozessbesucher, der verspätet den Saal betritt, äußert lauthals seinen Unmut über die Kontrollen im Eingangsbereich des Landgerichtes. Nach einem Wortgefecht zwischen dem Vorsitzenden und dem Besucher lässt Steinhoff den Gast von zwei Justizangestellten wegen ungebührlichen Verhalten aus dem Saal entfernen. Daraufhin kommt es zu einer Diskussion über die Notwendigkeit dieser Maßnahme zwischen den Prozessbeteiligten. Richter Steinhoff entgegnet der Position der Nebenklagevertreter: „Dass wollen wir ja mal sehen mit ´Ha Ha‚.“, womit er sich auf Äußerungen des entfernten Gastes bezieht. „Jeder weis, dass dieser Prozess 9.00 Uhr anfängt und vorne Kontrollen sind.“ und „Dann muss er lernen sich zu benehmen.“, fügt der Vorsitzende an. „Wir wollen uns jetzt nicht über die Bundesbahn unterhalten.“, antwortet Steinhoff auf die Einwände, dass Prozessbesucher teils von sehr weit anreisen, um diesem Prozess zu verfolgen und auch auf die Pünktlichkeit der Bahn angewiesen sind.

Als erster Zeuge des heutigen Tages betritt der 46-jährige Klaus-Peter Schmo., der seit 1992 im Zentralen Einsatzdienst (ZED) der Polizeidirektion Dessau als Polizeibeamter tätig ist, den Zeugenstand und wird zunächst vom Vorsitzenden Steinhoff befragt. „Ihre erste polizeiliche Vernehmung war am 24. Oktober 2007. Sie wissen also worum er geht. Fangen Sie mal an zu erzählen!“, so Steinhoff zu Schmo. Der Befragte gibt an, dass er am 7. Januar 2005 Spätschicht gehabt habe und gegen 12.30 Uhr mit dem Auto auf dem Innenhof des Dessauer Polizeireviers angekommen sei. Weiter gibt der 46-jährige zu Protokoll, dass er die Feuerwehr und einen Rettungswagen auf dem Hof wahrgenommen habe. „Wer auf dem Hof war, weiß ich heute nicht mehr.“, so der Beamte und fügt hinzu, dass er auf Rauch, der aus der Wache gekommen sein soll, nicht geachtet habe. Der ZED der Polizeidirektion befinde sich in einem Gebäude auf dem Areal des Polizeireviers Dessau in der Wolfgangstraße, so Schmo. .

Auf eine entsprechende Frage Steinhoffs gibt der Zeuge Schmo. zu Protokoll, dass er nicht mit den Angeklagten Andreas Sch. oder Hans-Ulrich M. über die Ereignisse des 7. Januar 2005 gesprochen habe.

Wann genau Beate H. in den ZED gekommen sei, will Richter Steinhoff nun vom Beamten Schmor. wissen. „Mit Sicherheit kann ich das heute nicht mehr sagen. Ich denke, es war 14 Tage nach dem Ereignis.“, so der Beamte. An ein Gespräch mit Beate H. über die Ereignisse des 7. Januar 2005 könne sich der 46-jährige heute nicht mehr erinnern. „Das verwundert mich.“, so Richter Steinhoff und konfrontiert Schmo. mit einer Aussage aus seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. Oktober 2007, in welcher der Beamte gesagt haben soll, dass Beate H. berichtet habe, welche Maßnahmen sie am 7. Januar 2005 unternommen habe. Auf diese Unstimmigkeit im Aussageverhalten von Steinhoff angesprochen, führt der Zeuge aus, dass Beate H. ihm nichts über ihre Aktivitäten im DGL-Bereich erzählt habe.

Auf den Inhalt von Gesprächen zwischen ihm und Beate H. von Oberstaatsanwalt Christian Preissner angesprochen, gibt Schmo. zu Protokoll, mit Beate H. ausschließlich über dienstliche Belange gesprochen zu haben, als sie „hin und wieder“ gemeinsam auf Streife gewesen seien.

Nun will Oberstaatsanwalt Preissner von Schmo. wissen, wann das letzte Gespräch zwischen ihm und Beate H. gewesen sei,  als es um die Ereignisse des 7. Januar 2005 mit Beamte H. gegangen wäre. Der 46-jährige Beamte gibt an: „Im Jahr 2005, kurz nach ihrem Eintreffen bei uns in der Abteilung. Das war das einzige mal.“

Oberstaatsanwalt Preissner kommt nun auf die polizeiliche Vernehmung des Polizeibeamten Schmo. vom 24. Oktober 2007 zu sprechen. In dieser Vernehmung habe Schmo. ausgesagt: „Beate H. hat mit Gesprächen begonnen und dann haben wir uns darüber unterhalten.“ Preissner will vom 46-jährigen heute wissen, welche Gespräche dies waren und über was man gesprochen habe. Ferner weist der Oberstaatsanwalt Preissner Schmo. darauf hin, dass er im Zeugenstand die Wahrheit sagen müsse. „Ich habe nur zugehört.“, so der Beamte und fügt hinzu, dass er sich heute nicht mehr an die Gesprächsinhalte erinnern könne. „Es geht hier nicht darum, Frau H. in die Pfanne zu hauen.“, auch nicht die Angeklagten S. oder M., so der Oberstaatsanwalt hinweisend, um die Erinnerungslücken des Zeugen möglicherweise zu minimieren. Es gehe darum, was Beate H. nach den Ereignissen um den Tod Oury Jallohs, darüber berichtet habe.

Die Sitzungsprotokolle der Prozessbeobachtungsgruppe im Internet habe er nicht gelesen, so Schmo. auf eine entsprechende Frage des Oberstaatsanwalts.

„Sie ist eine sehr gewissenhafte Kollegin gewesen.“, so Schmo. über Beate H. . Über die Ereignisse des 07. Januar 2005 habe er sich mit den Kollegen nicht unterhalten, da Beate von diesen nichts konkret berichtet habe.

Preissner kommt erneut auf die polizeiliche Vernehmung des 46-jährigen zu sprechen und konfrontiert Schmor. mit seiner damaligen Aussage, dass Beate H. „detailierte Angaben zum Tag“ gemacht haben soll. Der Zeuge gibt dazu heute an, dass Beate H. nur Angaben zu ihrem Aufgabenbereich im Revier gemacht habe. Preissner hakt nach und zitiert folgende Aussage von Schmo. aus seiner polizeilichen Vernehmung: „Regelmäßig war sie in diesen Gesprächen unter Tränen.“ Schmor. gibt hierzu zu Protokoll, dass er versucht habe, solche Gespräche zu unterbinden. Oberstaatsanwalt Preissner daraufhin zu Schmo.: „Ich muss es Ihnen jedenfalls sagen, derzeit ist es nicht glaubhaft, dass sie uns hier sagen, was sie wissen. Damit gebe ich mich nicht zufrieden. Aber sie haben ja heute noch die Möglichkeit sich zu äußern.“

Steinhoff zum 46-jährigen Schmo. wütend: „Das was Sie heute sagen, stimmt mit Ihrer Aussage von Oktober schon nicht überein. Wenn es konkret wird, können sie sich an nichts erinnern.“ Steinhoff will vom Zeugen nun wissen, ob sich Beate H. zu ihren unterschiedlichen Aussagen zu den Ereignissen des 7. Januar 2005 gegenüber Dritten geäußert habe. Zum Sachverhalt des Feuertodes von Oury Jalloh habe sich die Beamtin H. nicht geäußert, so der Befragte. „Dann sind sie zu doof hier eine Aussage zu machen.“, so Steinhoff zu Schmo. und hält ihm seine Unstimmigkeiten im Aussageverhalten vor. So habe der Zeuge Schmo. in seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, dass es Gespräche mit Beate H. über das „Ereignis“ gegeben haben soll und heute gab Schmo. jedoch zu Protokoll, dass er sich nicht mehr daran erinnern könne, ob es die Gespräche überhaupt geben habe. „Ja, dann nehme ich das so an.“, so Schmo. zum Verwurf von Steinhoff nicht in der Lage zu sein, eine Aussage zu machen. „Wir befragen dazu Beate H. und wenn sie etwas anders erzählt, als sie heute ausgesagt haben, dann sind sie kein Beamter mehr.“, so Steinhoff zum 46-jährigen. Beamter Schmo. beteuert die Wahrheit gesagt zu haben. „Ich glaube ihnen nicht.“, so Steinhoff. „Ich habe die Schnauze voll.“, so Steinhoff weiter und setzt eine Pause fest. „Dann kann der Zeuge sich überlegen, was er hier aussagen will.“, so der Vorsitzende abschließend.  

Nach einer 30-minütigen Pause setzt Rechtsanwalt Felix Isensee die Befragung des 46-jährigen Klaus-Peter Schmo. fort und will zunächst mehr über dessen Aufgabenbereich innerhalb der Polizei wissen. Seit 1992 sei der Beamte im ZED in der Verkehrsüberwachung tätig und zu seinen Aufgaben würde u.a. die Geschwindigkeitsüberwachung gehören. Ferner gibt Schmo. an, von seinem damaligen Vorgesetzten den Auftrag erhalten zu haben, Beate H. in die Verkehrsüberwachung einzuarbeiten und mit ihr in der Anfangszeit gemeinsam auf Streife zu fahren. Diese Einarbeitungsphase hätte eineinhalb bis zwei Wochen gedauert.

„Es wurde gesagt, sie wurde rüber versetzt, aufgrund des Vorfalls im Revier.“ gibt der Zeuge zu Protokoll und konkretisiert, dass dies der Vorgesetzte bei der Einweisung damals vermittelt habe, konkreter sei allerdings niemand darauf eingegangen. Die Frage des Nebenklagevertreters: „Da wußte dann aber jeder Bescheid?“, bejaht der Zeuge. Isensee hakt nach und fragt den Zeugen: „Woher wussten sie, welche Rolle Beate H. am 7. Januar 2005 gespielt hat?“ Schmo. zu Isensee: „Wir wussten alle was im Revier passiert ist?“ Ergänzend gibt Schmor. an, dass Beate H. zur damaligen Zeit die Einzige gewesen sei, die aus der Wolfgangstraße gekommen wäre.

Beate H. sei eine ganz normale Kollegin und „wir haben uns ganz normal unterhalten.“, so der Zeuge Schmo. auf eine entsprechende Frage des Rechtsanwalts Isensee. „Wie ist das mit einer normalen Kollegin?“, will Isensee vom 46-jährigen wissen. „Wir sprechen uns ab, wer was macht? Sie hat die Schreibarbeiten gemacht, weil sie dies so gern macht.“, so der Zeuge.

„Beate H. hat über das Thema gesprochen.“ so Felix Isensee aus der Zeugenvernehmung des Beamten Schmo. vom 24. Oktober 2007 und will von ihm wissen, ob er mit dem Wort „Thema“ die Ereignisse des 7. Januar 2007 gemeint habe. Dies bestätigt der Zeuge, aber was Beate H. genau gesagt habe, daran könne sich der 46-jährige heute nicht mehr erinnern. Ferner gibt der Zeuge an, dass er keine Informationen von ihr darüber habe, was am 7. Januar 2005 auf der Dessauer Wache passiert sei. Beate H. habe lediglich allgemein darüber erzählt, was sie an diesem Tag gemacht habe.

Beate H. sei vielfach wegen ihrer Erinnerungen an den Tod Oury Jallohs bedrückt gewesen. Als Beispiel führt er hier eine Dienstfahrt nah Köthen an. „Aufgrund dieser Sendung (eine Fernsehdokumentation über den Tod Oury Jallohs, Anm. d. Red.)  hat uns der KVL zurück gerufen, falls nach Ausstrahlung der Sendung es zu Ausschreitungen oder ähnliches kommen könnte.“, so Schmo. und ergänzt: „Auf der Rückfahrt fing sie dann nur an zu weinen und meinte: ‚Hört das denn niemals auf?‘“

Der Zeuge habe nach eigenen Bekunden viel von dem Fall gehört, da er ein interessierter Zeitungsleser sei. Er habe die Eröffnung des Verfahrens verfolgt und sei zudem nicht überrascht wegen seiner Vorladung gewesen. Etwas über belastende Aussagen Beate H.s gelesenen zu haben, sei ihm heute nicht mehr erinnerlich auch wisse er nichts von der Suspendierung des Hauptangeklagten Andreas S. . Hier schreitet der Vorsitzende Steinhoff ein: „Wollen Sie mir im Ernst erzählen, dass Sie nicht mitbekommen haben, dass Herr S. suspendiert wurde und seinen Dienst nicht mehr verrichtet.“ Und weiter führt er zu seinem Unverständnis aus, dass die Kollegin die dafür verantwortlich sein solle jetzt bei ihm ihren Dienst verrichte. Manfred Steinhoff hält den Zeugen an, er solle doch mal nachdenken was er hier erzähle. „Sie sitzen hier noch Stunden.“, so der Vorsitzende zum 46-jährigen und fügt hinzu: „Da können sie einen drauf lassen, wie man umgangssprachlich so sagt. Sammeln sie sich!“ „Ich mache keine falschen Aussagen. Zu dem Sachverhalt hat sie mir gar nichts gesagt. Ich kann mir doch hier nichts aus den Fingern saugen.“, so der Zeuge darauf. „Bei Ihnen steht einiges auf dem Spiel.“, meint der Richter. Was passiert ist, wisse jeder auf der Straße, so Steinhoff und weiter: „Sie aber wissen mehr, weil sie dort arbeiten. Heute scheint es so, als wissen Sie gar nichts. Es wird sich darüber unterhalten, das wissen wir.“ Der Zeuge entgegnet abermals auf den Vorhalt mit: „Ich kann Ihnen nicht mehr sagen.“ „Herr Isensee hat etwa fünf Minuten gebraucht, um aus Ihnen heraus zu bröseln, dass sie wussten, dass es um zögerliches Handeln ging.“, konstatiert Steinhoff bezüglich der Nachfragen des Nebenklagevertreters zum Kenntnisstand Anklagepunkte in diesem Verfahren. Folglich lässt sich der Zeuge dahingehend ein, dass „über dieses Ereignis gesprochen“ wurde. Bezogen auf weitere mutmaßliche Falschaussagen von Polizeibeamte im Verlauf des Prozesses warnt Richter Manfred Steinhoff eindringlich: „Langsam, ich bin schon am Ball. Ich verhafte Sie auch hier im Saal. Sie glauben, wie viele andere, dass das Verfahren hier totaler Scheiß ist und wenn Sie hier raus sind ist alles erledigt. Das ist nicht so! Wenn Sie was falsches sagen, gehen Sie durch diese Tür hier raus.“ und zeigt auf die Tür, durch welche inhaftierte Prozessteilnehmer vorgeführt werden. Auf diese Äußerungen reagiert der Verteidiger Swen Tamoschus energisch und wirft Manfred Steinhoff hier Bedrohung des Zeugen vor.

Die Prozessbeteiligten möchten nun einige Antworten des Zeugen genau für die Prozessakten protokolliert wissen: Laut Schmo. habe Beate H. lediglich zu ihm geäußert, dass der Angeklagte Andreas S. am 07. Januar 2005 Dienstgruppenleiter gewesen sei. H. habe sich ihm gegenüber nicht zum Grund ihrer Versetzung geäußert und dazu auch keine Bewertung abgegeben. Dass Beate H. die Maßnahme für „ungerechtfertigt“ halte wisse der Zeuge nicht von ihr selbst. Zudem habe sich die Hauptbelastungszeugin Beate H. ihm gegenüber nicht dahingehend geäußert, dass sie sich in ihrer ersten Vernehmung falsch verstanden gefühlt habe. Das vor dem Tod Oury Jallohs ein Alarm aus dieser Zelle aufgelaufen sei und Beate H. an diesem Tag Zellenkontrollen durchgeführt habe, wisse der Zeuge nicht. Ferner kann der Zeuge auch nicht bestätigen, das H. an diesem Tage Stimmen des später verstorbenen aus dem Zellentrakt gehört haben will, im weiteren Verlauf die Feuerwehr gerufen habe oder überhaupt die Begriffe „Feuer“ oder „Brand“ in ihren Darstellungen der Ereignisse verwand habe.

Nun ordnet der Richter eine Pause an, in der der Zeuge Schmo. weder telefonieren noch mit einem anderen Zeugen sprechen solle.

„Ich schlage vor, Herrn Schma. zu erst zu hören und die Vernehmung dieses Zeugen vorerst zu unterbrechen.“, setzt Manfred Steinhoff die Verhandlung nach der Pause fort. Felix Isensee möchte dem Zeugen an dieser Stelle noch den Hinweis vermitteln, dass dieser noch straffrei aus der Vernehmung komme, wenn er vor der endgültigen Entlassung seine Aussage korrigieren würde. Diesem Hinweis stimmt auch Richter Steinhoff zu. Ferner stünde dem Zeugen während der Unterbrechung der Polizeipfarrer als Beistand zur Verfügung, andere Kontakte solle er vermeiden. Der Oberstaatsanwalt verweist nochmals darauf, dass der Polizeipfarrer ausschließlich geistlichen, aber keinen rechtlichen Beistand für den Zeugen leisten dürfe. Der Verteidiger Tamoschus hakt hier ein, um zu ermöglichen dem Zeugen Schmo. auch einen rechtlichen Beistand zu arrangieren, sofern dieser dies wünscht. Der Polizeipfarrer sei während der Pause durch einen Kontakt der Behördenleitung der Staatsanwaltschaft mit der Polizeidirektion organisiert worden. Die Nebenklagevertreter halte ihn hingegen für ungeeignet, aufgrund seiner Nähe zum Polizeiapparat und vergangenen schlechten Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Zeugenbesprechungen mit Herrn Fi. . „Das heißt doch, da wird irgendwie von der Behörde Einfluss auf den Zeugen genommen.“, so Regina Götz dazu. Mit dem Verweis: „Das hat hier keinen technischen Nährwert“ für die Zeugenvernehmung schickt Steinhoff den Zeugen raus aus dem Saal.

Nun wendet sich der Vorsitzende mit seiner Verlaufsspekulation an die Nebenklage: „Es kann sein, dass Herr Schma. schon leicht verstört ist und mehr sagt als gewollt und dann haben wir was, was wir Schmo. vorhalten können.“ „Wenn der Zeuge so weiter macht, landet er im Strafverfahren. Ich habe die Gewissheit dass er lügt.“, so Steinhoff weiter. Regina Götz gibt hier zu Bedenken: „Wir werden doch von diesem Zeugen nichts brauchbares erfahren.“ Auf den Pfarrer als Beistand bezogen entgegnet die Nebenklage: „Ich habe nicht gehört, dass er nach dem Pfarrer verlangt hat. Hier wird doch für den Zeugen organisiert.“ Worauf der Richter antwortet: „Weil wir davon ausgehen, dass er intellektuell nicht dazu in der Lage ist.“ Felix Isensee spekuliert hierzu, dass man anstatt ständig Schadensbegrenzung für Zeugen zu betreiben zu wollen, ruhig auch mal einen auf die Nase fallen lassen solle, damit sich die folgenden Zeugen dann überlegen, wie sie sich vor Gericht verhalten wollen.  Während Verteidiger Atilla Teuchtler den Polizeipfarrer an dieser Stelle für unverdächtig hält, fordert der zweite Verteidiger Swen Tamoschus , energisch einen anwaltlichen Beistand zu bestellen, wenn der Zeuge die Situation nicht überblicke.

Als zweiter Zeuge des heutigen Verhandlungstages wird der 46-jährige Silvio Schma. vernommen. Er sei im Zentralen Einsatzdienst (ZED) in der Verfügungsgruppe für die Verkehrsüberwachung tätig. Seine Kenntnisse zu dem Fall Jalloh stützen sich vorwiegend auf Zeitungs- und Fernsehberichte.

„Die Frau H. und ich haben über diesen Sachverhalt überhaupt nicht geredet.“, antwortet der Polizeibeamte auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden zu Details des 07. Januars 2005. Sie habe genug mit sich selbst zu tun. Ausschließlich über  dienstliche und private Themen haben sie sich ausgetauscht, aber über solch einen Sachverhalt wolle sicher kein Polizeibeamter gerne reden, daher habe er dies auch vermieden. Die Versetzung von Beate H. sei dem Zeugen bekannt, von der Suspendierung Andreas S.´ habe er „vom Hören-Sagen“ mitbekommen und der daraus resultierende Zusammenhang sei ihm aus der Presse geläufig. Nach der Einarbeitungsphase von Beate H. in im neuen Tätigkeitsfeld sei der Zeuge, ihr ständiger Dienstpartner gewesen.

Auf eine entsprechende Frage des Oberstaatsanwalts Preissner gibt der 46-Jährige zu Protokoll, dass Schmo. ihm mitgeteilt habe, dass er polizeilich, im Zusammenhang mit dem Fall Jalloh vernommen wurde und dabei auch sein Name gefallen sei. Weitere Details habe der Kollege Schmo. nicht erwähnt.

Nebenklagevertreterin Regina Götz möchte Aussagen des Zeugen für die Akten protokolliert wissen. Dazu bestätigt dieser, dass er selbst niemals mit Beate H. über die Ereignisse vom 07. Januar 2005, ihre Versetzung zum ZED sowie über ihre Zeugenvernehmung gesprochen habe. Sein Vorgesetzter Pf. habe bekanntgegeben, dass Beate H. umgesetzt worden sei. Den Grund habe Schma. niemals hinterfragt, nicht bei seinem Vorgesetzten und auch nicht bei der Kollegin H., die er zuvor auch nicht kannte.

„Ich höre mir das zwar an, aber treffe da kein Urteil, wie das ausgebrochen sein kann.“, so der Zeuge nachdem er Felix Isensee bestätigt, dass sich nach Zeitungs- oder Fernsehberichten in der Belegschaft darüber unterhalten worden sei. Das sich Beate H. aufgrund der Todesumstände Oury Jalloh´s teils im Krankenstand und in psychologischer Behandlung befunden habe, wisse Schma. vom Hören-Sagen. Als Grund nennt er: „Dass das nicht jeder Mensch verkraftet, wenn im Dienst jemand in meiner Gewahrsamszelle verbrennt.“

Sein erster Eindruck von Beate H. sei gewesen, dass diese eine sehr gut ausgebildete Kollegin sei. Zur Gemütsstimmung von H. kann er nur sagen: „Es kann sein, dass sie mal was gesagt hat, aber ich kann mich daran wirklich nicht mehr erinnern.“ Zu dem Vorhalt aus der Aussage des Kollegen Schmo., sie solle öfter von sich aus angefangen haben darüber zu reden, entgegnet er: „Ich bin nicht der Typ, der da nachbohrt.“ Isensee fragt verständnislos, dass der Zeuge doch vernommen haben müsse, wenn Beate H. etwas über den Sachverhalt geäußert habe, was Schma. beantwortet mit: „Ich muss das aber nicht hören.“

Nachdem der Zeuge den Verhandlungssaal verlassen hat, stellt Felix Isensee Strafanzeige gegen den Polizeibeamten wegen uneidlicher Falschaussage.

Nun betritt Klaus-Peter Schmo. zum zweiten Mal am heutigen Tag den Zeugenstand. Der vorsitzende Richter Manfred Steinhoff weist ihn gleich anfangs darauf hin, dass eine Falschaussage hier von ihm bedeuten wird, dass er aus dem Polizeidienst entfernt werden würde. Steinhoff wie auch Oberstaatsanwalt Preissner weisen den Zeugen beide in Folge auf die Widersprüche seiner Aussagen hin und fragen ihn, ob er trotzdessen bei dieser Darstellung bleibt. Der Zeuge antwortet daraufhin mehrfach: „Sie hat sich nicht geäußert zu dem Fall.“ und „Ich kann nichts dazu schwindeln.“ Zum Aktenvorhaltaus seiner polizeilichen Vernehmung: „Es ist selbstverständlich so, dass wir über das Ereignis gesprochen haben.“, meint der Zeuge, damit nur Abläufe aus dem DGL-Bereich nicht aber aus dem Keller oder weiterführende Details im einzelnen.

„Weitere Fragen erübrigen sich, der Zeuge hat seine Chance zur Richtigstellung seiner Aussage nicht genutzt.“, so Rechtsanwältin Martina Arndt und verzichtet damit auf die Möglichkeit den Zeugen selbst noch weiter zu befragen.

Richter Steinhoff will den Zeugen auf seine heutige Aussage vor Gericht nach § 59 Abs. 1, zweite Alternative, der Strafprozessordnung vereidigen. Der Verteidiger Tamoschus erhebt dagegen Widerspruch mit dem Verweis dem Zeugen wegen der möglichen schwerwiegenden Folgen einen anwaltlichen Zeugenbeistand bereit zu stellen. Steinhoff daraufhin: „Wenn ein Polizeibeamter nicht weis, dass er hier wahrheitsgemäß aussagen soll, dann weis ich auch nicht mehr.“ Darauf entgegnet der Zeuge Schmo.: „Ich möchte einen Rechtsbeistand. Ich weis überhaupt nichts mehr.“ Dem Wunsch entsprechend wird die Vernehmung des Zeugen unterbrochen, damit sich der Zeuge die Aussage überlegen und sich darüber mit einem Anwalt beraten könne.

Als dritte und letzte Zeugin des heutigen Tages wird außerplanmäßig zum zweiten Mal die Polizeibeamtin Beate H. befragt. Zunächst weist der vorsitzende Richter Manfred Steinhoff die Zeugin darauf hin, dass dies heute keine generelle Vernehmung zu den Ereignissen des 7. Januar 2005 sei und sich ihre Befragung lediglich auf den Komplex nach ihrer Versetzung in den ZED beschränken würde. Weiter führt der Richter aus, dass heute bereits die Herrn Schmo. und Schma. vernommen wurden seien und das Gericht von Beate H. wissen wolle, ob sie mit den beiden Herren über die Ereignisse des 7. Januar 2005 gesprochen habe. Ferner solle sich die Zeugin jetzt entscheiden, ob sie ohne anwaltlichen Beistand eine Aussage zu Protokoll geben wolle. Die Beamtin H. gibt an, ohne anwaltliche Unterstützung eine Aussage machen zu wollen.

Zunächst beginnt Richter Steinhoff mit der Zeugenvernehmung von Beate H. und will von ihr wissen, wann die Behörde H. in den ZED versetzt habe. Die Befragte gibt an, dass sie 10 Tage nach den Ereignissen des 7. Januar 2005 in den ZED umgesetzt worden sei. Einen Monat nach ihrer Versetzung sei sie zum Arzt gegangen und dieser habe sie auf Grund ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes krank geschrieben. Auf eine entsprechende Frage Steinhoffs führt die Beamtin H. weiter aus, dass sie unmittelbar nach ihrer Versetzung in den ZED in der „LKW-Truppe“ gearbeitet habe, wo sie weder mit Schmo. noch mit Schma. gemeinsam im Dienst gewesen sei. Nach einem Gespräch mit ihrem damaligen Vorgesetzten sei H. dann von der „LKW-Truppe“ in der Verkehrsdienst innerhalb des ZED umgesetzt worden.

Steinhoff will nun von Beate H. wissen, ob es stimme, dass sie über das „Ereignis“, gemeint ist der Feuertod von Oury Jalloh, von sich aus begonnen habe gegenüber Dritten zu sprechen. Dies habe der Zeuge Schmo. in seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. Oktober 2007 angegeben. Wenn sie über das „Ereignis“ im Kreise der Kollegen gesprochen habe, dann wäre es nur um ihr Befinden gegangen, so die Befragte H. und fügt hinzu, dass dies nur der Fall gewesen sei, wenn es ihr mental nicht gut gegangen wäre. Die Zeugin H. gibt weiter zu Protokoll, das sie versucht habe, am 7. Januar 2005 ihre Arbeit ordnungsgemäß zu machen. „Ich habe das Ereignis als einen Unfall erlebt, der nicht hätte passieren dürfen.“, so Beate H. .

Zu ihrer Versetzung in den ZED von Steinhoff befragt, gibt H. an, dass sie diese als Strafe empfunden habe und meint dazu: „Da staut sich immer wieder Wut an.“ Ferner gibt sie zur Versetzung an: „Mir hat das in dem Moment nicht geholfen.“ Die Beamtin H. habe aus ihrer Sicht am 7. Januar 2005 alles unternommen, um Oury Jalloh das Leben zu retten. H. könne nicht ausschließen, auch mal mit dem Zeugen Schmo. über ihre Versetzung in den ZED gesprochen zu haben.

Weder mit Schmo. noch mit Schma. würde H. über persönliche Sachen reden, so die Zeugin auf eine Frage Steinhoffs.

Oberstaatsanwalt Christian Preissner will von der Beamtin H. wissen, ob sie sich heute an Gespräche mit Schmo. oder Schma. erinnern könne, in denen über die Ereignisse des 7. Januar 2005 geredet worden sei. „Nein.“, so die Zeugin H. und fügt hinzu, dass sie aber nicht ausschließen könne, ihnen gegenüber einmal „etwas“ über die Geschehnisse im DGL-Bereich gesagt zu haben.

Die Rechtsanwältin Regina Götz beginnt nun als Vertreterin der Nebenklage mit der Befragung der Zeugin H. Die Zeugin H. gibt an, dass sie mit Herrn Schmo. nach ihrer Versetzung in den ZED nun wenige Male gemeinsam auf Streife gefahren sei und heute nicht mehr wisse, wann dies der Fall gewesen sei. Auf eine Frage von Götz gibt H. an, das Herr Schmo. nicht die Person ihres Vertrauens sei. Zum Kollegen Schma. habe die Beamtin H. ein gutes dienstliches Verhältnis und sagt dazu: „Man ist ein gutes Team und die Arbeitsergebnisse stimmen.“

Regina Götz kommt noch einmal auf Gespräche zwischen Beate H. und Schma. während des Streifendienstes zu sprechen und will wissen, wie man „sich so eine Gesprächssituation im Auto vorstellen müssen.“ Wenn Schma. gesehen habe, dass es ihr mental nicht gut gehen würde und sie zu weinen begonnen habe, habe er angehalten, sei ausgestiegen und habe eine Zigarette geraucht, so die Zeugin.

Beate H. gibt erneut zu Protokoll, dass sie mit der Versetzung in den ZED nicht einverstanden gewesen sei und ihren Unmut darüber auch ihren neuen Kollegen mitgeteilt habe. Wann sie mit Schmo. und Schma. über ihre Versetzung gesprochen habe, wisse sie heute nicht mehr.

Auf eine entsprechende Frage von Rechtsanwältin Götz gibt H. heute an, dass die Zeugenaussage vor Gericht im April 2007 für sie eine emotionale schwierige Situation gewesen sei. Die Kollegen hätten mitbekommen, dass H. vor der Zeugenaussage aufgewühlt gewesen sei. „Die Emotionen stiegen wieder hoch.“, so die Beamtin. Beate H. gibt an, dass sie mit ihren Kollegen über die Zeugenvernehmung allgemein gesprochen habe.

Von Rechtsanwalt Felix Isensee nach ihrem Dienstalltag befragt, gibt Beate H. an, dass sie täglich unterschiedlich lange auf Streife fahren würde. Über die Ergebnisse von Ermittlungen im Fall Oury Jalloh würde auf diesen Fahren nicht gesprochen, so die Beamtin und ergänzt, dass ihr Oberstaatsanwalt Preissner geraten hätte, mit den Angeschuldigten Andreas S. nicht zu reden.

Die Beamtin H. sei nach ihrer ersten Vernehmung vom 07. Januar 2005 wütend auf sich selbst gewesen, weil sie sich auf die Vernehmung eingelassen habe, obwohl sie sich nicht dazu in der Lage gefühlt hätte. Der Kollege am Telefon aber hätte sie bedrängt, zur Vernehmung auch zu ihr nach Hause zu kommen und sie provozierend gefragt: „Oder hast du was zu verbergen?“ Daraufhin sei sie dann wieder ins Revier zur Vernehmung gefahren. In der Vernehmung habe sie alles noch einmal erlebt und zum dritten Mal an diesem Tag um ihr Bewusstsein gerungen, gibt Beate H. zu Protokoll. „Ich fühlte mich hintergangen.“, sagt sie ganz offen zu der Vernehmungsart des Beamten an diesem Tag.

„Die ersten vier Wochen fast jeden Tag.“, meint Beate H. zu den emotionalen Ausbrüchen nach dem Feuertod Oury Jallohs, dann seien die Abstände immer größer geworden und im letzten Jahr habe sie fast gar keine diesbezüglichen Ausbrüche mehr gehabt. In der Dienstbehörde habe sie klar gestellt, dass sie mit dem Thema in Ruhe gelassen werden wolle und lieber mit Arbeit abgelenkt werden will. Diesem Wunsch sei auch großteils nachgekommen worden, „Dafür bin ich auch heute noch dankbar.“  

Ob Beate H. mit Schma. über private Dinge reden würde, will Isensee von der Zeugin wissen. Dies verneint die Befragte. Da Beate H. oft mit Schma. auf Streife fahren würde, will Rechtsanwalt Isensee von Beate H. wissen, ob sie sich mit ihm über ihre Versetzung in den ZED unterhalten habe. Die Befragte gibt zu Protokoll, mal über ihre Versetzung mit Schma. gesprochen zu haben und führt ergänzend aus, ihren Unmut gegenüber Dritten nicht verheimlicht zu haben. Ferner sagt H. heute aus, dass viele Kollegen sie auf Medienberichte im Fall Oury Jalloh angesprochen hätten und wissen wollten, ob die Berichterstattung der Wahrheit entsprechen würde. Auf Nachfrage von Isensee gibt H. an, dass sie sich heute nicht daran erinnern könne, wer sie damals angesprochen oder ob sie sich überhaupt dazu geäußert habe. Ergänzend gibt H. an, dass sie sich auf Streife mit Schma. sicher gefühlt habe, weil dieser sich für die Ereignisse des 7. Januar 2005 nicht interessieren würde. Private Kontakte zu Schma. habe H. nicht.

Prozessbeobachtergruppe: http://www.prozessouryjalloh.de